Der erste bulgarische Staat (681 - 1018)

Unter den Nachfolgern Asparuhs dehnten Khan Tervel, Khan Kardam, Khan Krum und Khan Omurtag Bulgarien nach Westen und Nordosten aus und schlossen das heutige Rumänien, Moldavien und Teile der südlichen Ukraine bis zum Dnjestr ein. Das zentrale Makedonien und der südliche Teil Albaniens wurden auch Teil des Staatsgebietes. Im 9. Jahrhundert wurde Bulgarien die führende politische und militärische Macht im südöstlichen Europa.

In der Mitte dieses Jahrhundert lag Bulgarien zwischen den beiden großen christlichen Reichen - dem fränkischen Staat Karls des Großen im Westen und Byzanz im Osten. Knjaz Boris I. (852-889) führte 865 das Christentum als Staatsreligion in Bulgarien ein. Nach der Annahme des Christentums führte Knjaz Boris eine unabhängige bulgarische Kirche mit slawischen Priestern ein. Zu diesen gehörten auch die Mönche Kyrill und Methodius, die 855 das slawische Alphabet aus der Taufe hoben. Unter der Herrschaft von Knjaz Boris' Sohn, Zars Simeon des Großen von 893 bis 927, erreichte Bulgarien den Zenit seiner politischen, ökonomischen, territorialen und militärischen Macht. Simeon setzte die Anstrengungen seines Vaters fort, eine unabhängige Kirche durch die Einrichtung eines bulgarischen Patriarchats zu begründen. Byzanz erkannte Simeons Titel als Zar von Bulgarien an und zahlte seinem mächtigen Nachbarn für mehr als 50 Jahre Tribut.

Das späte 9. und frühe 10. Jahrhundert stand im Zeichen einer neuen slawisch-christlichen Zivilisation, die auf dem slawischen Alphabet und seiner Literatur aufbaute. Die Herrschaft Zar Simeons ging als das Goldene Zeitalter der bulgarischen Literatur in die Geschichte ein. Kaum geringer waren die Leistungen in den anderen Sparten der Kultur, besonders in der Architektur. In der neuen Hauptstadt Preslav entstanden prächtige Paläste und Kirchen.

Bulgarien gerät unter byzantinische Herrschaft (1018 - 1185)

Gegen Ende der Regierungszeit von Zar Simeons Sohn Peter, der von 927 bis 970 herrschte, ging die politische und militärische Bedeutung Bulgariens zurück. In dieser dunklen Zeit des Mittelalters begannen sich christliche Bewegungen wie die Bogumilen auszubreiten, die bald als Ketzerei verfolgt wurden. Der Einfluß dieser Bewegungen reichte über das byzantinische Reich hinaus bis nach Serbien, Bosnien und Russland. Im Westen wurden die geistesverwandten Katharer und Albigenser von der katholischen Kirche verfolgt und zu Zehntausenden gefoltert und getötet.

Im Jahr 971 wurde die bulgarische Hauptstadt Preslav von den Soldaten des byzantinischen Kaisers Johannes Tzimisces erobert. In Makedonien rief sich Samuil zum Zaren von Bulgarien aus und wählte Ochrid als seine Hauptstadt. Ein langer Krieg Zar Samuils gegen Byzanz endete 1014 schließlich mit einer Niederlage für die Bulgaren. Byzanz nahm 14.000 Soldaten als Kriegsgefangene. Kaiser Basil II. ließ sie blenden, was ihm den Namen "Bulgaroktonos" einbrachte - dies bedeutet "Bulgarenschlächter". 1018 wurde die bulgarische Hauptstadt Ochrid von der byzantinischen Armee eingenommen. Damit war das Ende des ersten bulgarischen Staates besiegelt.

Der zweite bulgarische Staat (1186 - 1396)

Die Vorherrschaft von Byzanz währte jedoch nicht lange. 1185 zettelten die beiden bulgarischen adligen Brüder Asen und Peter einen Aufstand gegen die byzantinische Herrschaft an. Das Zentrum des Aufstandes war die Stadt Veliko Tarnovo im nördlichen Bulgarien. Der byzantinische Kaisers Isaak II. Angelos versuchte vergeblich, den Aufstand niederzuschlagen. Dieser breitete sich über ein großes Gebiet aus, das auch Makedonien miteinschloß.

Eine glückliche Fügung für die Aufständischen war die Tatsache, daß ausgerechnet zur Zeit des Aufstandes die Truppen des Dritten Kreuzzuges durch die bulgarischen Länder kamen. So unterschrieb im Jahr 1187 der byzantinische Kaiser einen Waffenstillstand mit Asen und Peter und erkannte so den wiederhergestellten bulgarischen Staat formell an, dessen Oberhaupt Asen wurde. Er verkündete (Veliko) Tarnovo als neue Hauptstadt Bulgariens. Während der Herrschaft seines Bruders Kalojan wurde Bulgarien vom Vierten Kreuzzug gefährdet.

Im Frühling 1204 fielen die Teilnehmer des Vierten Kreuzzuges in Konstantinopel ein. Ein Teil von ihnen, der von Balduin von Flandern angeführt wurde, drang nach Ost-Thrakien ein. Er schlug Kalojans Angebot zum Friedensschluß aus. Im folgenden Kampf bei Adrianopel (heute: Edirne) am 14. April 1205 konnten die Kreuzfahrer geschlagen und Balduin selbst gefangen genommen werden. Man setzte ihn in Tarnovo fest.

Unter Ivan Asen II. (1218 - 1241) führte Bulgarien siegreiche Kriege gegen die Lateiner im Osten, Byzanz im Süden und die Magyaren im Westen. Als Ergebnis konnten gewaltige Gebiete unter bulgarische Herrschaft gebracht werden; der Staat dehnte sich bis zum Olymp in nördlichem Griechenland aus. Auch Makedonien und Albanien waren Teil des Staatsgebietes. Bulgarien wurde der größte Staat im südöstlichen Europa.

Doch im späten 13. Jahrhundert geriet Bulgarien in eine schwere politische Krise. Es gab wiederkehrende Kriege mit den benachbarten Staaten. Die Situation wurde für die Menschen unerträglich; sie wurden vom eigenen Staat unterdrückt und andererseits waren sie Opfer der Zerstörungen durch die Tataren. Dies mündete in dem Aufstand von Ivajlo, der als einfacher Bauer im Jahr 1277 erfolgreich den königlichen Thron erstürmen konnte und die Witwe des getöteten Monarchen heiratete.

In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts litt Bulgarien unter zwei sich gegenseitig bekriegenden Feudalherrschern. Zar Ivan Alexander hatte den Staat zwischen seinen beiden Söhnen Ivan Sracimir und Ivan Shishman aufgeteilt. Der erste herrschte im Nordwesten Bulgariens mit der Hauptstadt Vidin und der andere im zentralen, nördlichen und südlichen Bulgarien mit der Hauptstadt Veliko Tarnovo. Neben ihnen gab es mehrere unabhängige Herrscher, die ihre Macht über andere Teile Bulgariens ausübten.

Die Situation in den anderen Staaten des Balkans war ähnlich. Politisch zerstört war Bulgarien eine leichte Beute für die türkischen Eroberer. Das katholische Europa sah den Untergang der orthodoxen Staaten mit einer gewissen Befriedigung. Im Jahr 1352 überquerten die Türken die Dardanellen und drangen auf den Balkan ein. Im Jahr 1396 schließlich fiel Bulgarien endgültig unter türkische Herrschaft. Damit war auch das Ende des zweiten bulgarischen Staates besiegelt.

Bulgarien unter osmanischer Herrschaft (1396 - 1878)

Die türkische Besatzung Bulgariens wird heute als die düsterste Periode in der Geschichte des Landes bezeichnet. Dieser Zeitraum fremder Herrschaft währte 482 Jahre. In dieser Zeit wurde den Bulgaren der eigene Staat verweigert und das Land ausgeplündert. Die bulgarische Bevölkerung wurde Opfer von Gewalt und Brutalität der Besatzer, die Menschen wurden von ihrem Land vertrieben und in die Sklaverei verkauft. Städte und Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht. Die Bevölkerung ganzer Gebiete wurde gezwungen, in den Bergen Zuflucht zu suchen.

Das türkische Militär entriß Kinder ihren Familien und stockte damit zum einen das Heer auf, zum anderen wurden die jungen Menschen zwangsweise zu Moslems gemacht. Das christliche Kulturgut wurde von den Mohammedanern gründlich geplündert und zerstört. In all diesen Jahren kam es wiederholt zu Aufständen, die von den türkischen Besatzern blutig und grausam niedergeschlagen worden. Die Bulgaren erlebten diese Zeit immer als fremdbestimmt und konnten sich mit den Besatzern nie anfreunden. Auf der kulturellen und wirtschaftlichen Ebene bedeutete die Besatzung für Bulgarien einen Rückschritt. Während das westliche Europa in die Renaissance eintrat, blieb Bulgarien im Mittelalter.